Liebherr Turmdrehkrane zur bauma 2025

"Das Produkt allein ist heute für Kunden nicht mehr der einzige Kaufgrund"

Marco Guariglia, Managing Director Sales des Liebherr-Produktsegments Turmdrehkrane, sprach mit ABZ-Chefredakteur Kai-Werner Fajga über Neuheiten zur bauma und die strategische Ausrichtung der Liebherr-Sparte.

Marco Guariglia ist Managing Director Sales des Liebherr-Produktsegments Turmdrehkrane. Foto: Liebherr

ABZ: Herr Guariglia, welche Erwartungen haben Sie als Vertriebs-Geschäftsführung des Liebherr-Produktsegments Turmdrehkrane an die diesjährige bauma?

Guariglia: Unsere Erwartungen sind wie immer groß – auch dieses Jahr. Für uns hat die bauma einen unheimlich hohen Stellenwert und entsprechend haben wir uns auch dafür aufgestellt. Unser diesjähriges Motto "Hands on the future" passt zu allem, was wir auf der bauma zeigen. Wir sprechen über die Zukunft – und sie ist nirgendwo so zum Anfassen nahe wie auf der bauma. Für uns ist diese Messe nach wie vor unsere wichtigste Leitmesse. "Hands on" heißt für uns: Anpacken. Das passt zu Liebherr – und das seit der Gründung der Firmengruppe. Unser Unternehmensgründer, Hans Liebherr, hatte genau diese Anpacker-Mentalität. Hinter dem Begriff "future" steckt zum Beispiel auch das Thema Digitalisierung. Dementsprechend werden wir als Firmengruppe nicht nur viele neue hochqualitative Produkte zeigen, sondern auch das Thema Digitalisierung rund um die Maschinen, zum Beispiel digitale Dienstleistungen und Maschinenvernetzung. Das Produkt allein ist heute für Kunden nicht mehr der einzige Kaufgrund. Deswegen ist es für uns wichtig, über das Produkt hinaus weitere, zum Beispiel digitale, Begleitlösungen anzubieten – denn die Zukunft ist digital. Zu einem erfolgreichen Geschäft gehören jedoch nicht nur Produkte und Lösungen, sondern vor allem auch der Kunde. Auch da schimmert wieder das Motto durch, wir möchten die Zukunft Hand in Hand mit unseren Kunden angehen. Wir haben die große Chance, auf dieser Messe unseren Kunden und auch potenziellen Kunden zu zeigen, wer wir sind, welche Produkte wir anbieten, welcher Mehrwert mit ihnen einhergeht und wo wir in der Technologieentwicklung stehen. Wir treten hier als Technologieunternehmen, als Maschinenhersteller und als Lösungsanbieter auf – aber noch viel wichtiger: Wir sind auch als Menschen auf der Messe. Menschen, die einander begegnen, sich kennenlernen, sich austauschen und sich die Hand reichen können – all das bedeutet "Hands on the future". Also ja – wir haben hohe Erwartungen an die bauma. Wir freuen uns unheimlich darauf, sind gespannt und haben viel in diesen Auftritt investiert.

ABZ: Hat sich Ihr Engagement gegenüber der bauma 2022 verändert?

Guariglia: Als Firmengruppe haben wir im Außengelände historisch den größten Messestand mit einer Fläche von über 15.000 Quadratmeter und das soll auch so bleiben. Acht unserer 13 Produktsegmente sind mit mehr als 70 hochqualitativen Exponaten vertreten: Erdbewegung, Materialumschlag, Spezialtiefbau, Mining, Turmdrehkrane, Betontechnik, Mobil- und Raupenkrane und Komponenten. Auf den ersten Blick hat sich vielleicht gar nicht so viel verändert, wenn man die Messe als Laie besucht. Wenn man jedoch genauer hinsieht, dann wird man unter anderem im Bereich der Turmdrehkrane feststellen – da wird ein Kran ferngesteuert, der sich gar nicht auf der Messe, sondern über 150 Kilometer weit weg befindet, und hier drüben bewegt sich ein Kran halbautomatisch, ohne dass der Kranfahrer eingreifen muss – das ist die Digitalisierung. Zusammen mit dem Thema Service nimmt sie einen ganz besonders hohen Stellenwert ein – gerade auch bei unseren Turmdrehkranen. Der große Unterschied zur Vergangenheit ist also: Es geht um mehr als Maschinen – und wir sind mit unseren digitalen Lösungen und Technologien rund um Turmdrehkrane ganz vorne mit dabei.

ABZ: Welche Produkte und Dienste wird Ihr Produktsegment ausstellen, beziehungsweise was sind die Highlights?

Guariglia: Unser Produktsegment Turmdrehkrane zeigt auf der diesjährigen Bauma sein breit aufgestelltes Portfolio aus Obendreher- und Untendreherkranen. Während die Untendreher eher im Haus- und Wohnanlagenbau eingesetzt werden, sind die Obendreher auch für Großprojekte geeignet, in denen mehr Höhe gefragt ist. Maschinenseitig zeigen wir als Teil der Untendreherkrane drei Modelle unserer neuen Generation der K-Krane: den 43 K, den 61 K und den 91 K. Außerdem stellen wir repräsentativ für die Obendreherkrane unseren 620 HC-L aus der aktuellen Verstellauslegerfamilie vor. Ein großer Teil von dem, was wir präsentieren, zahlt mittlerweile auf das Thema digitale Lösungen ein – und darauf sind wir sehr stolz. Im Vordergrund stehen die innovativen Assistenzsysteme für unsere K-Krane. Daneben bleiben für uns die Produkte und deren Qualität, Effizienz und Praktikabilität zentral. Ein Beweis dafür, dass wir immer auf der Suche nach Optimierungspotenzialen sind, ist das Faserseil.

Das Faserseil haben wir zur letzten bauma erstmals vorgestellt und haben es in der Zwischenzeit weiterentwickelt. Mit bis zu 20 Prozent höheren Traglasten, besonderer Langlebigkeit und vereinfachter Wartung im Vergleich zum konventionellen Stahlseil ist es ein echtes Highlight in Sachen Produktqualität und Effizienz. Und: wir sind derzeit der einzige Anbieter am Markt. Im Bereich der Obendreherkrane werden heute schon rund 30 Prozent unserer Krane mit Faserseil ausgeliefert, und wir gehen davon aus, dass wir in naher Zukunft einen Verkaufsanteil von rund 50 Prozent ausgestattet mit der Faserseiltechnologie erreichen werden. Das Seil repräsentiert in der Kranbranche damit einen Teil des Schlüsselbegriffs "future" aus unserem Motto.

Kommen wir nochmal zurück zum Thema digitale Lösungen: wir werden uns mit vielen digitalen Steuerungsassistenten, also Assistenzsystemen, auf der Messe positionieren. Am Stand und im InnovationLab der Firmengruppe können Messebesucher das Digitalisierungsportfolio live erleben, etwa mit dem "Crane Configurator", dem bekannten "LiReCon", Liebherr Remote Control zur Fernsteuerung von Maschinen, und unseren vier ganz neuen Assistenzsystemen für die K-Krane: "Sway Control Plus", "Guided Hook", "Vertical Line Finder" und dem "Positioning Pilot". Wenn sich ein Besucher nun fragt, wo man am besten sehen kann, wie diese Assistenzsystem funktionieren und wie sie den Kranfahrer unterstützen, dann ist die Antwort: im Showcase der Liebherr-Tumdrehkrane. Eine Live-Show, die wir mehrmals am Tag durchführen werden, um genau das zu demonstrieren.

Die Mehrwerte unserer Assistenzsysteme werden sehr schnell ersichtlich und nachvollziehbar. Allen voran spielen die Themen Performance und Sicherheit in Verbindung mit unseren Assistenzsystemen eine Rolle – das ist bekannt aus der Automobilbranche, in der gerade viel an autonomer Mobilität gearbeitet wird. Stark auf den Faktor Performance zahlt der "Positioning Pilot" ein. Das ist momentan sicher ein Produkt, das sich noch etwas neuartig anfühlt für den Kranfahrer. Man stelle sich vor, dass der Bediener an einer bestimmten Stelle auf der Baustelle einen Betonbehälter befüllt, an eine andere Stelle transportiert und ihn dort entleert – ganz egal, wie viel Höhe oder Distanz die Punkte voneinander trennen –mit dem "Positioning Pilot" kann der Kran diesen Arbeitsablauf schon ab dem zweiten Mal fast von alleine, also teilautomatisiert, ausführen. Das ist vergleichbar mit dem Tempomat im Auto: Man stellt ihn ein, das Auto hält die eingestellte Geschwindigkeit und fährt weiter, ohne Zutun des Fahrers. Sollten irgendwelche Risiken auftreten, wird der Kranfahrer darauf aktiv hingewiesen – und kann jederzeit in den automatisierten Vorgang eingreifen.

Und wenn der Kran sich in Zukunft vielleicht ganz woanders befindet als der Kranfahrer? Auch dafür haben wir bei Liebherr eine Lösung: Liebherr Remote Control. Diese Technologie versetzt uns in die Lage, einen Kran von einem externen Steuerungsstand aus im Container zu bedienen – also fernzusteuern. Auf der bauma werden wir das live vorführen. Ein Kran auf unserem Firmengelände am Standort Biberach wird über LiReCon im InnovationLab von der Messe aus gesteuert – das sind über 150 Kilometer Entfernung. Im Moment sind das Themen, die sich eher noch nach "Ausprobieren" anfühlen, aber schon in den nächsten 5 Jahren werden solche und ähnliche Technologien potenziell einen festen Platz auf den Baustellen dieser Welt einnehmen. Damit gehen eine ganze Reihe von Effizienz-Potenzialen einher, die vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels, sehr wertvoll sind – man stelle sich vor, dass eine Person, egal wo auf der Welt, nicht nur einen, sondern sogar mehrere Krane von nur einem Steuerstand aus operieren kann.

ABZ: Was sind die Messe-Trends, die für Ihr Liebherr-Produktsegment die höchste Tragweite haben?

Guariglia: Für unser Produktsegment steht unter anderem das Thema Verantwortung und damit verbunden das Stichwort "nachhaltiges Bauen", das auch die Messe München als eines der Leitthemen benennt, im Fokus. Wir haben im Turmdrehkranbereich den Vorteil, dass die Geräte alle seit jeher elektrisch betrieben sind – in Sachen emissionsfreies Arbeiten auf der Baustelle haben wir folglich einen guten Startpunkt. Ein Problem, das Kunden immer wieder haben, vor allem bei abgelegenen Baustellen, ist die Energieversorgung: wie kommt der Strom auf die Baustelle? Mit dem Liduro Power Port, einem mobilen Energiespeichersystem, bieten wir dem Kunden eine lokal emissionsfreie Alternative zum Dieselgenerator, die die Stromversorgung auf jeder Baustelle sichert – und perfekt mit unseren Turmdrehkranen kompatibel ist. Außerdem arbeiten wir daran, den ökologischen Fußabdruck unserer Produkte über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg, von der Entwicklung bis hin zur Entsorgung, immer weiter zu reduzieren. Zum Beispiel bieten wir Kunden proaktiv Retrofit-Kits an, um auch unsere älteren Kransteuerungen auf den neuesten Stand zu bringen. Das Ziel dabei ist, wir wollen unsere Krane so lange wie möglich mit den neuesten und sicherheitstechnisch fortschrittlichsten Features ausstatten – so werden sie noch langlebiger.

Außerdem noch ein wichtiges Thema für uns: die Individualisierung und personalisierte Services. Wir haben in unserem Produktsegment sogar einen eigenen Bereich dafür geschaffen – Tower Cranes Solutions. Wo immer auf der Welt es um komplexe, besonders herausfordernde Bauprojekte geht, für die man Krane und Lösungen "außerhalb der Serie" und Ideen "außerhalb der Norm" braucht, kommen unsere Tower Crane Solutions ins Spiel. Individuelle Wünsche von Kunden möglich machen – da sind wir ganz vorne mit dabei. So unterstützen wir nicht nur Kunden mit personalisierten Leistungen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, sondern erobern auch immer wieder die größten und anspruchsvollsten Baustellen dieser Welt mit unseren Maschinen und Technologien. Die bauma ist ein Ort, wo man genau zu solchen Themen ins Gespräch kommen und vorfühlen kann, was wir für den Kunden tun können.

ABZ: Wie beurteilen Sie die aktuelle konjunkturelle Marktsituation und Marktentwicklung im Bereich der Turmdrehkrane?

Guariglia: Die Situation war selten so angespannt. Gewisse konjunkturelle Zyklen im Bau, die natürlich auch uns als Turmdrehkranhersteller betreffen, sind bekannt und normal. Momentan befinden wir uns jedoch in einer besonders kritischen Situation, die es so die vergangenen rund 50 Jahre nicht gab – das geht aber nicht nur uns so, sondern vielen, vor allem westlichen, Baumaschinen- und Kranherstellern, die gleichzeitig mit einer konjunkturellen Flaute im Bau, den wirtschaftspolitischen Unsicherheiten und einer intensivierten Wettbewerbssituation zu kämpfen haben. Die gute Neuigkeit: Mit dem Jahr 2024 dürfte der tiefste Punkt bereits passiert worden sein. Für die kommenden Jahre erwarten wir für den Bereich Turmdrehkrane leichte Tendenzen der Markterholung und einen gewissen konjunkturellen Aufwind im Bereich Hochbau – auch wenn diese Annahmen noch mit Vorsicht zu genießen sind. Wir wissen, dass unter anderem aktuelle und kommende politische Ereignisse einen noch nicht abschätzbaren Einfluss darauf haben können. Wir hoffen auf Entscheidungen seitens der Politik, die zu einem stabileren wirtschaftlichen Umfeld und damit zu einem positiveren Investitionsklima beitragen. Die bauma ist für uns eine einzigartige Gelegenheit für Begegnungen und Austausch – mit Kunden, potenziellen Kunden und Mitwettbewerbern. So ist die Messe für uns auch ein Moment, in dem wir den Markt ganz intensiv "spüren" und vorfühlen, was "geht".