Hünnebeck-Chef Martin Hemberger

Freude über neuen/alten Traditions-Markennamen

Martin Hemberger: "Die Schalungsindustrie entwickelt sich immer stärker zur Dienstleistungsbranche."Fotos: Hünnebeck

Beim Schalungs- und Gerüsthersteller Hünnebeck hat sich in der jüngsten Vergangenheit sehr viel getan. Die Rückkehr zum alten Namen war nur ein Punkt im Geschehen. Hierüber sprach ABZ-Redakteur Burkhard Büscher mit Geschäftsführer Martin Hemberger.

ABZ: Herr Hemberger, seit Juni 2014 firmiert die Harsco Infrastructure Deutschland GmbH unter dem Namen Hünnebeck Deutschland GmbH und knüpft damit wieder an eine lange Namenstradition an. Wie ist dieser Namenswechsel bei Ihren Kunden angekommen?

Hemberger: Positiv! Und das nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei allen anderen Geschäftspartnern, wie Lieferanten, Banken und Unternehmensberatungen. Hünnebeck ist eine Traditionsmarke. Wir haben es als Mitarbeiter z. T. selbst nicht verstanden, warum Harsco uns damals ein Stück weit gedrängt hat, auf den Traditions-Markennamen "Hünnebeck" zu verzichten. Wir haben zwar viel unternommen und viel versucht, den Namen "Harsco" positiv nach draußen zu tragen, aber es ist uns nur bedingt gelungen. Viele Kunden haben in der Vergangenheit den Namen "Hünnebeck" ge-schätzt, weil er ihnen vermittelt hat, dass das Unternehmen für Tradition steht und einen hohen qualitativen Anspruch an seine Produkte und Dienstleistungen hat. Insofern war das durch den neuen Gesellschafter eine sehr positive Entscheidung zu sagen: Nutzt die Stärke Eures Namens und bringt ihn wieder an den Markt.

ABZ: Hat sich nach dem Übergang der früheren Harsco Infrastructure Division zur Brand Energy & Infrastructure Service Gruppe außer dem Namen irgend etwas Grundsätzliches verändert?

Hemberger: Für unsere Kunden nicht. Für sie haben wir versucht, namensunabhängig genauso da zu sein, was uns – so glaube ich – auch gelungen ist. Nach außen haben wir den Namen verändert. Das war wichtig. Die Ansprechpartner sind die gleichen geblieben. Natürlich hat es im Hintergrund einen Gesellschafterwechsel gegeben – wobei Harsco immer noch zu knapp 30 % am Gesamtunternehmen beteiligt ist – aber Brand managt dieses Gesamtunternehmen. Die Position der Hünnebeck-Gruppe ist nicht nur durch die Namensgebung gestärkt worden, sondern auch durch die Kompetenz, die wir hier in Ratingen haben. Diese wird von dem neuen Gesellschafter sehr wohl angenommen. Viele Dinge, die wir tun, werden auch in andere Länder hineintransportiert. Wir haben ja noch zwei weitere Schalungsmarken im Konzern, nämlich SGB und Aluma Systems.

ABZ: Sind Sie denn auch noch als "Center of Excellence" tätig, um auf globaler Ebene Schalungs- und Unterstützungssysteme zu entwickeln?

Hemberger: Ratingen ist "Center of Excellence", also die Zentralabteilung im Gesamtkonzern für die Entwicklung von Schalungen und Gerüsten. Wir haben diesen Auftrag auch weiterhin und führen diesen fort. Es gibt sogar Bemühungen, die restlichen Entwicklungsabteilungen noch stärker an die Zentrale in Ratingen anzubinden, um lokale Märkte besser zu bedienen. Es ist ja nicht nur die Produktentwicklung, die wir machen. Sondern auch die dazu notwendige IT-Entwicklung, sprich die CAD-Programme, die wir heute für die Schalungs- und Gerüstplanung nutzen. Das ist eine Eigenentwicklung aus dem Hause und nennt sich H-CAD. Dieser Auftrag wurde global an uns erteilt, und das Programm wird auch weltweit eingesetzt. Es ist also sowohl die Hard- als auch die Software, die wir in Ratingen für den gesamten Brand-Konzern entwickeln.

ABZ: Wird diese Software auch an andere Firmen verkauft?

Hemberger: Das tun wir schon. Sie können diese Software bei uns erwerben. Es gibt nur eine Voraussetzung dazu, weil sie nicht ganz so einfach zu handhaben ist: Es gibt immer eine Schulung dazu. Wir wollen sicherstellen, dass die Software sinnvoll und effizient genutzt werden kann.

Einbau einer neuen Kunststoffschalhaut als Teil des Hünnebeck R&R Services.

ABZ: Und wie steht es um Ihre Health and Safety-Aktivitäten?

Hemberger: Diese Aktivität wird von Brand aufgrund seines zweiten Geschäftsfeldes mit integrierten Industriedienstleistungen als sehr wichtig eingestuft. In den USA gibt es die Occupational Safety and Health Administration, kurz OSHA – eine Bundesbehörde, die dabei helfen soll, die Anzahl und Folgen von Arbeitsunfällen zu vermindern. Wenn die Anzahl der nach OSHA meldepflichtigen Vorkommnisse größer 0,5 ist (gemessen an der Anzahl der Vorkommnisse pro 100 000 Arbeitsstunden) hat das betreffende Unternehmen ein echtes Problem, in den USA oder weltweit in der verschiedenen Industrien Aufträge zu bekommen. Das bedeutet für unseren Gesamtkonzern: Wenn wir Health and Safety nicht wirklich ernst nehmen, dann kann es sein, dass wir bei Aufträgen für große Raffinerien wie Shell und Exxon gar nicht mehr anbieten dürfen. Wir halten seit vielen Jahren eine führende Rolle in Health & Safety und gelten als Benchmark in unserer Industrie.

Wir werden uns in diesem Jahr ganz besonders darauf fokussieren, unser Wissen auch nach draußen zu transportieren. Sobald wir in Erfahrung bringen, dass es bei einem unserer Kunden auch nur einen Beinaheunfall gegeben hat, gehen unsere Sicherheitsexperten zu der Baustelle, schauen sich vor Ort die Situation an, sprechen mit dem Kunden und versuchen Lösungen zu finden.

Die Baubranche muss in Deutschland deutlich sicherer werden, als sie heute ist. Wenn wir dazu als Schalungslieferant einen ganz kleinen Beitrag leisten können, dann sind wir dort sehr gut aufgehoben.

ABZ: Sie sind neben Deutschland auch für die Region Nord- und Osteuropa einschließlich den Niederlanden, Belgien und England zuständig. Wie laufen zurzeit die Geschäfte?

Hemberger: Wir freuen uns, dass zwei neue Landesgesellschaften zu unserer Region hinzugekommen sind. Aus den Niederlanden heraus machen wir sehr viel Geschäfte mit Belgien. Dort haben wir einen langjährigen Handelspartner, der sich sehr erfolgreich um den belgischen Markt kümmert. In den Niederlanden selbst gab es gerade eine Veränderung. Wir waren dort sehr stark im Angebot als Nachunternehmer, d. h. wir haben Schalungen auch auf- und abgebaut. Das machen wir jetzt nicht mehr, da der Preisdruck auf den Nachunternehmer in den Niederlanden so hoch ist, dass es für uns ein unwirtschaftliches Geschäft war. Wir konzentrieren uns jetzt auf das, was wir auch in den andern Ländern tun und was unsere Wurzeln sind: Wir verkaufen und vermieten Schalungen und erbringen produktbezogene Dienstleistungen.

In England ist das Schalungsgeschäft sehr ähnlich zu unserem und operiert inzwischen auch unter der Marke Hünnebeck. Wir sind natürlich mehr als glücklich darüber, dass wir mit England kooperieren und unsere Produkte noch stärker in den englischen Markt hineinbringen können. Inzwischen ist das Wandschalungssystem Manto gut am Markt etabliert. Seit dem zweiten Halbjahr 2015 machen wir erste Gehversuche mit dem Stahlrahmendeckentisch Topmax und realisieren, dass die Erfolgskurve ähnlich gut ist wie in Deutschland.

ABZ: Und wie sieht es im Osten aus?

Hemberger: Im Osten gibt es eine sehr unterschiedliche Entwicklung. Wir alle wissen, dass durch den Krieg in der Ukraine der dortige Markt sehr schwierig ist. Unsere Tochtergesellschaft arbeitet auf ganz kleiner Flamme. Es ist aber kein perspektivischer Wachstumsmarkt.

Unsere Landesgesellschaften in Polen und Rumänien entwickeln sich hingegen ganz hervorragend. Insbesondere Rumänien – eine der wenigen Landesgesellschaften, wo wir Industrieservice betreiben – wächst sehr stark. Im letzten Jahr über 50 % im Volumen, besonders durch den Industrieservice. Im Schalungsmarkt nehmen wir sehr gut am Marktwachstum teil. Wir realisieren aber auch, dass wir durch Einflüsse von außen einen massiven Preisdruck haben, so dass wir nur kontrolliert wachsen wollen.

In Polen ist das Tal nach den Fußball-Europameisterschaften in 2012 durchschritten. Dort wird weiter Infrastruktur aufgebaut. Wir merken das insbesondere im Bereich des Brückenbaus und des Öffentlichen Baus, dort haben wir schon 2015 einen kleinen Aufschwung erlebt. Von 2016 bis 2020 gehen wir von einem außergewöhnlichen Wachstum aus.

Richtig Kopfschmerzen hat uns Russland bereitet. Der russische Markt, der ja 2013 noch sehr positiv aussah, als die Öffentliche Hand sehr viel Geld für den Infrastrukturbau in die Hand nehmen wollte, ist in sich zusammengebrochen. Weil in unserem Geschäft aufgrund des Mietparks immer ein Kapitalrisiko besteht, haben wir die Entscheidung getroffen, dass wir uns zumindest temporär aus Russland zurückziehen. D. h. wir bedienen unsere bestehenden Kundenkontakte aus dem Exportgeschäft heraus und sind gerade dabei, unsere Gesellschaft in Russland ordentlich abzuwickeln.

ABZ: Welchen Stellenwert nehmen jetzt die projektbegleitenden Dienstleistungen in ihrem Tagesgeschäft ein?

Hemberger: Der Dienstleistungsbereich macht heute ca. 30 % unseres Mietumsatzes aus. Wir sind davon überzeugt, dass dieser Bereich weiter wachsen wird. Die Schalungsindustrie entwickelt sich immer stärker zur Dienstleistungsbranche. Das Produkt gerät etwas in den Hintergrund. Kunden möchten von uns ein Gesamtpaket, bestehend aus Produkt und Dienstleistung, erhalten. Der technische Anspruch an den Schalungsdienstleister wird deutlich höher, weil sich auch unser Markt ein Stück weit verändert hat. Wir haben immer mehr mit Nachunternehmen zu tun, die vielleicht die Erfahrung im Umgang mit Schalung nicht so haben. Wir haben mit Kunden zu tun, die eigene Kapazitäten in diesem Bereich reduzieren und zum Lieferanten verlagern und die einen hohen Anspruch an eine gute technische Dienstleistung haben. Und wir haben Kunden im Segment des Großprojektes, die gerne über die klassische Schalungsplanung hinaus technische Unterstützung haben wollen. Dieser Bereich wurde deutlich ausgebaut. Wir haben 2010 mit einer ganz kleinen Abteilung angefangen. Inzwischen arbeiten dort rd. 20 Mitarbeiter. Und es sieht so aus, dass wir im Ingenieurbereich noch weiter aufbauen werden, weil diese Dienstleistung immer stärker nachgefragt wird – inzwischen auch bei kleineren Projekten.

Umsetzen der ST 60 Beläge mit der zum Patent angemeldeten Belaghebevorrichtung.

ABZ: Wie ist denn heute das Verhältnis von Kauf und Miete bei Ihnen?

Hemberger: Die Tendenz geht deutlich zur Miete. Insbesondere große Bauunternehmen haben oft gar kein eigenes Schalungsmaterial mehr, sondern mieten nur noch projektbezogen. Das sind aber nicht unsere einzigen Kunden. Hünnebeck ist schon seit Jahrzehnten stark dem Mittelstand verbunden. Auch wenn wir zu einem Großkonzern gehören, sind wir mit unseren Niederlassungen und so wie wir im Tagesgeschäft agieren stärker mittelständisch aufgestellt. Der mittelständische Kunde investiert auch. Dort sehen wir nicht die Tendenz, dass der Kaufanteil zurück geht. Wobei ja heute auch zum gekauften Produkt Dienstleistungen erwartet werden, wie z. B. Reinigung, Reparatur und Instandsetzung.

ABZ: Im vergangenen Herbst haben Sie das Schalungs- und Gerüstgeschäft von Hans Warner übernommen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Hemberger: Der wesentliche Grund liegt darin, dass wir bisher in Nordrhein-Westfalen an einem großen Baumarkt nicht teilnehmen konnten, da die Firma Hans Warner seit 1954 exklusive Vertriebsrechte hatte. Es ergab sich die Chance, mit Hans Warner darüber zu sprechen, den Anteil Schalung und Gerüste aus der Unternehmensgruppe herauszulösen, der vom Geschäftsmodell her sehr ähnlich zu unserem aufgebaut ist. Insofern war das eine logische Ergänzung unseres Gesamtgeschäfts. Wir erwarten uns aus der Akquisition heraus ein deutliches Marktanteilswachstum für Hünnebeck in Nordrhein-Westfalen und damit auch ein weiteres Wachstum im deutschen Schalungsmarkt. Wir haben alle Mitarbeiter übernommen, die zum Schalungsgeschäft der Hans Warner GmbH gehörten.

Der Standort wurde von Langenfeld nach Ratingen verlegt, d. h. wir verfügen jetzt hier am Hauptsitz über das Tagesgeschäft Vermietung mit all den Facetten, die dazu gehören.

ABZ: Sie haben Ihren Online-Shop für gebrauchtes Schalungs- und Gerüstmaterial deutlich erweitert. Was ist der Hintergrund?

Hemberger: Der Hintergrund ist, an dem Gebrauchtmarkt ordentlich teilzunehmen. Wir sehen seit Jahren, dass es Händlerstrukturen gibt, die Online-Portale nutzen und Hünnebeck-Produkte veräußern, bei denen wir heute nicht sicher sein können, ob es sich um original Hünnebeck-Produkte oder um Nachbauten handelt. Wir wollten Akzente setzen, damit unsere Kunden oder auch Neukunden, die www.used-forms.com nutzen, sicher sein können, dass sie eine ordentliche Qualität und ein ordentliches Hünnebeck-Produkt finden. Es war unser Bestreben, an dem Marktsegment möglichst früh teilzunehmen, bevor es andere besetzen. Außerdem haben wir festgestellt, dass unsere Mitbewerber ähnliche Aktivitäten haben. Und wir bekommen natürlich mit, dass Online-Portale mehr und mehr im internationalen Bereich genutzt werden. Deswegen haben wir 2014 unseren Webshop ins Leben gerufen und sind derzeit dabei, mehrere Sprachen zu implementieren, um damit global vertreten zu sein.

ABZ: Die bauma steht vor der Tür. Vielleicht können Sie aus Ihrer Sicht ein Produkt rauspicken, das Sie auf der Messe zeigen und Ihnen wichtig ist.

Hemberger: Was wir auf der bauma zeigen, ist der vorläufige Abschluss einer starken Innovationskette. Als wir 2003 an einen neuen Gesellschafter veräußert wurden, gab es viele Stimmen am Markt, die uns schon tot geglaubt haben. Auf jeden Fall hat man uns ganz stark attestiert, dass Hünnebeck keine Innovationen bringt und auch nicht innovationsfähig ist. Mit der bauma 2016 werden wir genau das Gegenteil beweisen. Wir haben 2010 auf der bauma ein neues Deckenschalungssystem und auf der bauma 2013 ein neues Wandschalungssystem vorgestellt, und wir werden auf der bauma 2016 ein neues Unterstützungssystem zeigen. Dann haben wir alle drei Hauptgruppen, die ein Schalungsanbieter in seinem Produktportfolio hat, komplett neu entwickelt. Das neue Unterstützungssystem wird ST 60 heißen. Es ist ein Turm, der allen Anforderungen an Sicherheit Genüge leistet und in der Ergonomie sehr fortschrittlich ist. Kein einziges Teil aus dieser Baugruppe wiegt mehr als 15 kg. Das ist sehr hilfreich auf der Baustelle. Wir werden ST 60 auf der bauma in einen Vergleich zu einem Schwesterprodukt aus dem Konzern stellen. Das nennt sich "Gass", und wir wollen mit unseren Kunden in den Dialog kommen, um zu sehen, wie die Resonanz ist. Wir können durch die Verbindung zu unserer neuen Gesellschaft in England auch von deren Produktkenntnissen partizipieren. Daraus ist eine Verbindung aus dem Unterstützungssystem Gass mit Topmax entstanden, so dass wir dort adhoc Lösungen aufzeigen können. Wir suchen den Dialog mit dem Kunden, um dann zu entscheiden, mit welchem der beiden Systeme wir in Europa vorangehen wollen. ST 60 wurde schon vor eineinhalb Jahren im französischen Markt eingeführt, und wir können schon über breite Baustellenerfahrung berichten. Die Zulassung für Deutschland wird in Kürze erwartet.