Liebherr-Produktsegmente Spezialtiefbaumaschinen, Betontechnik, Erdbewegungsmaschinen und Materialumschlagmaschinen zur bauma 2022

Alternative Antriebe im Fokus

Mark Figel ist Geschäftsführer der Liebherr-Mischtechnik GmbH im Produktsegment Betontechnik. Foto: Liebherr

ABZ: Herr Frainer, was wird es im Bereich Spezialtiefbaumaschinen Neues zur bauma geben?

Frainer: Ganz klar: Batteriebetriebene Baumaschinen. Wir haben vor drei Jahren das weltweit erste große Bohrgerät vorgestellt, das LB 16 unplugged. Die Maschine wurde zum Gamechanger. Wir sehen heute, dass andere Hersteller diesem Konzept gefolgt sind, haben aber selbst in der Zwischenzeit die Weiterentwicklung konsequent vorangetrieben. Zur bauma werden wir insgesamt drei Neuheiten der Unplugged-Serie im Bereich Rammen, Bohren und Heben präsentieren. Genauer werden das unser Rammgerät LRH 200 unplugged sein, das Bohrgerät LB 30 unplugged und der Raupenkran LR 1130.1 unplugged.

Das LRH 200 wurde komplett neu entwickelt und schließt die Lücke zwischen den bewährten LRH 100 und LRH 600 in der Rammgeräte-Serie. Wir werden mit dem LR 1400 SX außerdem noch einen neuen 400-Tonnen-Kran vorstellen, den wir zum ersten Mal auf einer Messe ausstellen. Dabei handelt es sich im Übrigen um das höchste Exponat auf der bauma 2022! In unserem Technologie-Pavillon liegt der Schwerpunkt auf der Digitalisierung. Dort zeigen wir digitale Lösungen für die Baustelle der Zukunft, zum Beispiel die digitale Branchen-Lösung MyJobsite, die Anwendung XpertAssist und diverse Assistenzsysteme. MyJobsite ist eine Lösung für den Spezialtiefbau, mit der Prozessdaten, Maschinendaten, Baustellen- und Positionsdaten erfasst werden. Sie können dann dargestellt, analysiert, verwaltet und ausgewertet werden.

ABZ: Herr Figel, was gibt es im Bereich Betontechnik Neues von Liebherr zur bauma?

Figel: Wir zeigen Exponate aus unseren Produktbereichen Fahrmischer, Mischanlagen und Betonpumpen. Bei den Fahrmischern gehen wir auch ganz klar in Richtung neue Antriebskonzepte. Wir zeigen zwei Fahrmischer mit elektrischem Trommelantrieb, die auf der Baustelle leise, sauber und effizient arbeiten. Der eine Hybridfahrmischer ist mit einem Diesel-Fahrgestell kombiniert, der andere als Sattelauflieger mit einer Gas-Zugmaschine. Beide Kombinationen erlauben unseren Kunden bis zu 30 Prozent Kraftstoffeinsparung. Die Batterien für den Trommelantrieb werden während der Fahrt wieder elektrisch nachgeladen, insbesondere beim Bremsen. Im Bereich der Digitalisierung zeigen wir eine Telematik-Lösung, mit der die Kunden verschiedene Fahr- und Fahrzeuginformationen online oder über Schnittstellen zu Disposystemen abrufen können.

 

Gerhard Frainer ist Geschäftsführer Vertrieb der Liebherr-Werk Nenzing GmbH im Produktsegment Spezialtiefbaumaschinen. Foto: Liebherr

Neu im Bereich Betonpumpen ist unsere 36 XXT, eine 36-Meter-Pumpe, die wir aktuell auf den Markt gebracht haben. Umfangreiche Tests zusammen mit einigen Kunden waren sehr erfolgreich. Auf der bauma stellen wir sie erstmals der Öffentlichkeit vor.

Bei den Mischanlagen stellen wir ein komplett neu entwickeltes Anlagenkonzept aus. Es wurde modular entwickelt und bietet eine Reihe neuer Features und Highlights. Es kann wesentlich schneller montiert werden als vorige Konzepte. Wenn eine Anlage später nochmal versetzt werden soll, bietet das enorme Vorteile und Kosteneinsparungen. Zudem erreichen wir eine höhere Ausstoßleistung, da wir einen neuen, intelligenten Mischprozess umsetzen konnten. Auch die Steuerung und die Dosiergenauigkeit haben wir optimiert. So können unsere Kunden Einsparungen erzielen und gleichzeitig Ressourcen schonen. Noch mehr Liebherr-Betontechnik gibt es in unserem Technologie-Pavillon. Besucher werden mit einer Augmented-Reality-Lösung Mischanlagen in 3D betrachten können. Und es wird Labormischer zu sehen geben, die von Kunden für Versuchszwecke genutzt werden.

ABZ: Herr Strobel, was zeigen Sie für die Produktsegmente Erdbewegungs- und Materialumschlagmaschinen?

Strobel: Wir werden im Bereich der Produktsegmente Erdbewegungs- und Materialumschlagmaschinen mit rund 30 Exponaten auf dem Liebherr-Hauptstand vertreten sein. Jedes von diesen verfügt über mehrere Neuerungen. Wir werden dieses Jahr ganz gezielt das Thema alternative Antriebskonzepte im Fokus haben. Da momentan noch nicht absehbar ist, welches Betriebskonzept sich bei Baumaschinen endgültig durchsetzen wird, hat Liebherr sich die technologieoffene Entwicklung auf die Fahne geschrieben. Das heißt, wir werden auf der Messe demonstrieren, dass wir in der Lage sind, mit allen bisher möglichen Ansätzen Baumaschinen zu betreiben. Also beispielsweise auch mit einer klassisch batteriebetriebenen Maschine. Das Konzept wird sich sehr wahrscheinlich im Bereich der kleineren und mittleren Maschinen durchsetzen. So präsentieren wir auf der bauma den ersten batterieelektrischen Radlader und den ersten batterieelektrischen Teleskoplader der Firmengruppe. Außerdem werden wir auch einen wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotor vorstellen. Eine besondere Innovation zeigen wir bei unseren Plug-in Maschinen. Diese sind mit einem batteriebetriebenen Mobility Kit für einen temporären, netzunabhängigen Betrieb ausgestattet. Ausstecken, verfahren, einstecken, weiterarbeiten – das ist der Gedanke dahinter. Abgerundet wird die Vielzahl an Maschinen mit alternativen Antriebsystemen durch einen Radlader mit Brennstoffzelle. Unsere Besucher können all diese Antriebskonzepte live in Aktion bei einer Maschinenshow auf unserem Hauptstand erleben. Wer schon 2019 bei uns war, kennt das Showgelände noch. Damals haben wir uns auf die "Baustelle von morgen" sowie das Thema "Connectivity" konzentriert.

Natürlich stellen wir auch bei den konventionell betriebenen Maschinen verschiedenste Innovationen vor. So haben wir zum Beispiel für unseren Zweiwegebagger, der auf Gleisen zur Schienenreparatur eingesetzt werden kann, ein neues Betriebskonzept mit hydrostatischem Antrieb entwickelt. An dieser Maschine zeigen wir auch das neue Schnellwechselsystem LIKUFIX 33-9. Mit diesem können dank eines integrierten zweiten Hochdruckkreises sowie der Lecköl- und Schmierleitung nun auch Anbauwerkzeuge wie beispielsweise Stopfgeräte, Mulcher mit Klappen oder Liebherr-Stielverlängerungen schnell, einfach und vor allem sicher aus der Fahrerkabine heraus gewechselt werden. Wir betreiben unser LIKUFIX mit 400 Litern in der Stunde – somit schränkt unser Schnellwechselsystem die maximale Arbeitsleistung der Maschinen keinesfalls ein. Das ist im Markt einzigartig.

 

Joachim Strobel ist Geschäftsführer der Liebherr-EMtec GmbH in den Produktsegmenten Erdbewegungsmaschinen und Materialumschlagmaschinen. Foto: Liebherr

Eine Premiere feiert auch unser knickgelenkter Muldenkipper TA 230. Wir haben das Modell der Öffentlichkeit schon Ende 2020 vorgestellt, auf der bauma präsentieren wir die Maschine aber erstmals auf internationaler Messebühne. Zudem werden noch die komplett überarbeiteten, mittelgroßen Radlader zu sehen sein, die mit noch mehr Leistung ausgestattet sind und eine höhere Fahrdynamik und Standfestigkeit aufweisen. Außerhalb des bauma-Geländes wird es noch ein Außengelände geben, auf dem Kunden zahlreiche Erdbewegungsmaschinen testen und fahren können. Darunter auch eine Materialumschlagmaschine sowie eine Planierraupe, die beide komplett von einem Teleoperationsstand aus bedient werden können: Der Fahrer sitzt auf einem Arbeitsplatz außerhalb der Maschine und steuert per Fernbedienung. Gerade dort, wo Arbeitsbedingungen gefährlich sind, ist das ein großer Sicherheitsvorteil.

ABZ: Welchen Stellenwert hat das Thema Verringerung des CO2 Fußabdrucks für Ihr Produktsegment?

Figel: Einen enorm hohen Stellenwert! Die Einsparung von Energie und Ressourcen treibt uns schon seit Jahren bei der Weiterentwicklung unserer Produkte voran. Durch die verfeinerte Dosierung oder die verbesserte Steuerung reduzieren wir den Verbrauch von Energie und Ressourcen und schaffen eine insgesamt effizientere Anlage. Das bringt unseren Kunden enorme Mehrwerte. Aber natürlich verfolgen wir in der Entwicklung noch weitere Handlungsfelder, zum Beispiel indem wir die Montage und den Transport der Anlagen optimieren.

Strobel: Wir haben das Thema Effizienz ja nicht erst jetzt in dieser aktuellen Zeit aufgenommen. Unsere Maschinen sind, was den Energieverbrauch anbelangt, in praktisch allen Klassen führend oder gar weit voraus. Das liegt sowohl an unserer hohen Fertigungstiefe als auch an der Tatsache, dass wir Antriebe und Motoren selbst entwickeln. Das ist eine unserer Stärken. Auch der Motor im neuen Wasserstoff-Raupenbagger ist von Liebherr. Wir als Hersteller von Motoren arbeiten aktuell an der gesamten Bandbreite möglicher Lösungen. Heute sind wir bei den Antriebstechnologien von morgen schon mit dabei und müssen nicht abwarten, bis wir Konzepte von Komponentenlieferanten von der Stange bekommen.

Frainer: Die Technologieoffenheit spielt bei Liebherr eine wichtige Rolle. Wir entwickeln in alle Richtungen. Warum? Wir haben unglaublich viele Maschinen und unglaublich viele Anwendungsfelder. Ein mobiles Arbeitsgerät braucht hohe Mobilität, für stationäre Maschinen auf der Baustelle oder am Bohrloch gelten jedoch andere Prämissen. Mit diesem Wissen aus der Praxis entwickelt Liebherr Maschinen, die optimal auf ihre Einsatzbereiche zugeschnitten sind. Im Spezialtiefbau etwa kann die batteriebetriebene Maschine locker bis zu acht Stunden am Tag arbeiten – mit allen Funktionen und voller Leistungsfähigkeit. Wollte man mehr Leistung, müssten die Batteriepacks natürlich größer dimensioniert werden. Man muss immer schauen, welche Größenklasse, Mobilität und Leistungsfähigkeit benötigt wird und dann das passende Konzept wählen. Und das ist letztendlich der Grund für unseren technologieoffenen Ansatz. Schon heute können wir mehrere Antriebskonzepte anbieten und damit nun auch weitere Marktsegmente bedienen.

ABZ: Inwieweit sind ihre Geschäftsbereiche von Lieferkettenproblemen betroffen?

Strobel: Es wäre jetzt schon verwunderlich, wenn wir davon verschont wären. Liebherr ist da natürlich genauso betroffen. Wir hängen von den gleichen Materialien ab wie die restliche Industrie. Bei Stahl, Elektronik und Logistik hat sich schon während der Pandemie gezeigt, dass es zu Veränderungen und zu Schwierigkeiten kommen wird. Deswegen haben wir im Moment eine Schere zwischen dem, was gewünscht wird und dem, was lieferbar ist. Allerdings kommt uns zugute, dass wir in allen Bereichen eine hohe Fertigungstiefe haben und viele Komponenten aus eigenen Liebherr-Gesellschaften stammen. Nichtsdestotrotz hängen natürlich auch unsere Kolleginnen und Kollegen von Rohmaterialien ab. Um hier in Zukunft Abhängigkeiten weiter zu verringern, werden wir uns noch intensiver mit Multi Sourcing beschäftigen, um uns besser abzusichern und breiter aufzustellen.

ABZ: Wie wirkt sich die aktuelle Marktsituation auf ihre Produktsegmente aus?

Figel: Nach wie vor haben wir einen sehr hohen Auftragsbestand und auch eine hohe Nachfrage. Wir bemerken zwar aktuell einen leichten Rückgang der Auftragseingänge, befinden uns aber immer noch auf einem hohen Niveau. Aber wie Herr Strobel schon bemerkte, verfolgen wir bei Liebherr eine langfristig ausgerichtete Strategie. Wir werden uns weiterhin durch Mehrwerte in den Produkten von den Mitbewerbern abheben und investieren in den Bereichen entsprechend viel.

Frainer: Auch wir verzeichnen momentan Rekord-Auftragsbestände und haben die Situation, dass Maschinen nicht so schnell geliefert werden können. Wir verzeichnen aktuell sehr starke Auftragseingänge und rechnen damit auch noch für den Rest des Jahres 2022. Mit Blick aufs nächste Jahr gehen wir davon aus, dass die Geschäftstätigkeiten sich auf ungefähr vergleichbarem Niveau wie 2022 bewegen werden. In den einzelnen Märkten verzeichnen wir regional unterschiedliche Entwicklungen, aber in Summe rechnen wir weiter mit sehr, sehr gutem Auftragseingang.

Strobel: Im Wohnungsbau zeichnet sich Zurückhaltung ab. Aber auf der anderen Seite stehen wir vor großen Aufgaben. Denken Sie nur an den notwendigen Neubau von Infrastrukturen zum Beispiel in der Energieversorgung, im Schienenverkehr und im Straßenbereich. Da werden massive Investitionen erfolgen müssen und dann sind unsere Maschinen gefragt. Vor dem Hintergrund der Verknappung von Rohstoffen werden Recycling und Aufbereitung von Materialien immer wichtiger. In diesem Bereich bewegt sich die Nachfrage schon heute auf einem hohen Niveau und wird weiter zunehmen. Von daher sehen wir insgesamt optimistisch in die Zukunft.

Wir hatten eingangs schon darüber gesprochen, dass die bauma als Messe eine wichtige Funktion für uns hat. Es ist wichtig, ein solches Event zu nutzen, um Stimmungen einzufangen. Wir werden dort geballt aus allen Märkten der Welt Reflexionen bekommen. Und wir werden alles dafür tun, unseren Kunden unsere positive Stimmung mitzugeben. Wir sehen es so: Probleme gibt es genug am Horizont. Aber wir sind alle dazu angetreten, Probleme gemeinsam zu meistern. Für uns sind sie ein Antrieb, neue Lösungen zu entwickeln und zum technologischen Fortschritt beizutragen. Wir freuen uns extrem auf die Messe und den Austausch mit unseren Kunden und Interessenten!

ABZ: Was erwarten Sie von der bauma 2022?

Frainer: Die bauma ist für uns der weltweit größte Marktplatz und die größte Messe. Daher hat die Messe eine sehr, sehr große Bedeutung für uns. Und wir spüren, dass es einen großen Andrang geben wird. Die Leute wollen sich wieder mal treffen und persönlich sprechen.