Sickerwasserstollen im Staudamm Sylvensteinspeicher
Start- und Zielschacht vor Wasserzuflüssen abgedichtet
Norderstedt (ABZ). – Im Zuge der 2011 begonnenen Ertüchtigungsmaßnahmen wurden Damm und Untergrund des Sylvensteinspeichers nach über 50-jähriger Betriebszeit mit einer neuen leistungsfähigen Dichtwand (Zweiphasen-Schlitzwand) und einem präzisen Sickerwassermesssystem ausgestattet. Das Sickerwassermesssystem besteht aus Dränagepfählen und einem Sickerwasserstollen. Als Bayerns ältester und für den Hochwasserschutz wichtigster Wasserspeicher, erfüllt der Sylvensteinspeicher seit mehr als einem halben Jahrhundert seine Aufgaben und hat bei großen Hochwasserabflüssen seine Schutzwirkung insbesondere für die Stadt Bad Tölz und die Landeshauptstadt München bewiesen. Erwartungsgemäß hat sich der Damm in der langen Betriebszeit insgesamt gesetzt und auch die außergewöhnlichen Belastungen durch extreme Hochwasserereignisse in den Jahren 1999, 2005 und 2013 haben ihre Spuren hinterlassen. Als Vorsorge gegen die Folgen möglicher Klimaveränderungen und unter Einbeziehung der seit 2004 gültigen neuen DIN-Normen für Talsperren wurde von der Wasserwirtschaftsverwaltung als Betreiber entschieden eine zusätzliche Dichtung in den Dammkern und Untergrund einzubauen sowie ein komplett erneuertes Messsystem für mögliche Sickerwasser vorzusehen. Die Talsperre liegt in einem wertvollen Naturraum, der Staudamm selbst im FFH-Gebiet (europäisches Schutzgebiet Flora-Fauna-Habitat). Deshalb sollte insgesamt so umweltschonend wie möglich vorgegangen werden.
Der 48 m hohe und 180 m lange Damm des Sylvensteinspeichers liegt auf einem 100 m tiefen Taleinschnitt, den die Isar in die Bayerischen Alpen geschnitten und mit Geschiebe wieder verfüllt hat. Die Erosionsrinne wurde beim Bau des Damms in den 1950er Jahren durch einen siebenreihigen Injektionsschleier mit Tonzement abgedichtet. Der schlanke zentrale Dichtungskern besteht aus einem künstlich zusammengesetzten Erdbeton (Kies, Feinsand, Schluff, 1 % Natriumbentonitzugabe) mit anschließenden luft- und wasserseitigen Filtern aus Moränenkies. Durch mehrere bis zu 140 m tiefe Er-kundungsbohrungen im Talgrund wurden Wechsellagerungen von sand- bzw. schluffreichem Kiesmaterial, teilweise mit Einlagerungen von Seekreideschichten festgestellt. Innerhalb des in der frühe-ren Bauzeit mit Ton-Zementsuspension verpreßten Untergrunds wurden stark schwankende Durchlässigkeiten festgestellt. Das neue und leistungsfähigere Dichtungssystem sieht den Einbau einer 170 m lange, 70 m tiefen und 1 m star-ken Schlitzwand aus Tonbeton in den Dichtungskern vor. Sie reicht noch bis zu 25 m unter die Dammgründungsebene. Dahinter wurden zur Erfassung möglicher geringer Sickerwassermengen 54 Drainagepfähle mit einer Tiefe von ca. 41 m hergestellt, dessen Wasser am Fußpunkt in den neuen Sickerwasserstollen eingeleitet wird. Moderne Messtechnik ermöglicht eine permanente, sektorale Überwachung des Sickerwassers über die gesamte Dammlänge.
Der 190 m lange Sickerwasserstollen wurde in Micro-Tunneling-Bauweise mit einem Mix-Schild (Ø 3,05 m) zum Durchfahren von Fels- und Lockergestein erstellt. Dazu musste zunächst ein ca. 80 m langer Zufahrtsstollen am Fuß der Sylvensteinwand hergestellt werden, an dessen Ende sich die Startkaverne (ca. 16 x 9 x 8 m/LxBxH) befand. Der Ausbruch erfolgte in gebirgsschonender Sprengtechnik und zeigte ein kompaktes, standfestes Gebirge, so dass auf eine zusätzliche Gebirgssicherung verzichtet werden konnte. Auf der Hennenköpflseite wurde ein 41 m tiefer senkrechter Zielschacht (Ø 6,50 m) zusammen mit dem ca. 20 m langen Zielkaverne ausgesprengt. Wie durch die Erkundungsbohrungen festgestellt, musste im Übergangsbereich zwischen gewachsenem Fels und geschüttetem Damm mit stark schwankenden Durchlässigkeiten hinter der Startkaverne sowie vor dem Zielschacht gerechnet werden. Um Probleme beim Vortrieb der Tunnelbohrmaschine zu minimieren und das Eindringen von Wasser in der Startkaverne sowie im Zielschacht zu verhindern, musste dieser unberechenbare Gesteinsbereich stabilisiert und abgedichtet werden. Unter Berücksichtigung der Infrastruktur, den Umweltauflagen sowie der engen örtlichen Gegebenheiten kam eine Stabilisierung des Gesteins durch Vereisung nicht in Frage.
Verschiedene Injektionsmittel sind geeignet, trockene oder feuchte Kiesschüttungen, Sande usw. zu stabilisieren. Die Injektion erfolgt über Packer oder Injektionslanzen direkt in die zu stabilisierenden Bereiche. Durch chemische Reaktion oder physikalische Zustandsänderung erhärtet der Injektionsstoff und wird nach dem Verpressen form- und ortbeständig. Der injizierte Bereich wird dadurch verfestigt und gleichzeitig abgedichtet. Bei der Auswahl des Injektionsstoffs sind vielfältige Aspekte zu beachten. Das Bild zeigt die Anwendungsmöglichkeiten unterschiedlicher Injektionsstoffe abhängig von der Durchlässigkeit des Bodens.
Für die Stabilisierung in diesem Projekt bot sich der Einsatz von Acrylatgelen als Injektionsstoff an. Acrylatgele sind extrem niedrigviskose Injektionsstoffe aus Derivaten der Acryl- und Methacrylsäure sowie Aminen und Salzen. Nach Vermischung steht eine Lösung mit wasserähnlichen Konsistenz zur Verfügung.
Wassergefüllte Kapillare, dicht gelagerter Sande oder Schluffe, ähnlich der vorliegenden Gesteinssituation, können penetriert werden. Die Reaktionszeit lässt sich zwischen 90 Sek. und 90 Min., in Abhängigkeit der Umgebungs- sowie Bodentemperatur einstellen.
Moderne Gele sollen aus technischer und umwelttechnischer Sicht zwingend der sogenannten 5. Generation entsprechen. Diese Gele basieren weder auf Wasserglas, noch enthalten Sie Acrylamide. Sie sind dauerbeständig und sollten grundwasserhygienisch unbedenklich sein. Man entschied sich für eine Stabilisierung durch Hartgelinjektion. Das Acrylatgel SolidCryl hatte bei Laboruntersuchungen zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Die Technische Universität München (TU München) hatte Sieblinie und Sättigung im Innern des Damms nachgestellt und eine Reihe von Injektionstests durchgeführt. Die injizierten Bereiche wiesen trotz völliger Sättigung nach der Injektion mit dem erwähnten Acrylathartgel eine Druckfestigkeit von über 3 N/mm² auf, während trockene Bereiche nach der Injektion sogar eine Druckfestigkeit von über 15 N/mm² entwickelten. Zusammen mit der TU München wurden im Vorfeld eine Reihe von Injektionstest durchgeführt. THP ist auf der bauma in Halle C3, Stand 436 vertreten.